Jul 21, 2020

Interview mit Robert Bosisio

in category News
Interview aus der SÜDTIROLER TAGESZEITUNG vom 21.07.2020

Inspirieren das Coronavirus und die Quarantäne die Künstler*innen zu neuen Werken? Wenn ja, zu welchen? Die Corona-Galerie der Tageszeitung sucht Bilder und fragt mit Marcel Proust und Max Frisch nach. Heute der Trudner Maler Robert Bosisio.

Interview mit Robert Bosisio
Dieses Porträtiert zeigt einen anonymen, doch erkennbar asiatischen Menschen. In großem Format, spürbar als Schwarz-Weiß, aber in komplementären Grün-Rotkombinationen gehalten, umhüllt in Unschärfe und Hell-dunkel-Tönen, erzeugt es eine gewisse erstaunte Melancholie. Es war mir wichtig, in dieser Zeit das Thema Mensch zu verkörpern.

Wie geht´s?

Grundsätzlich gut.

Wie ist Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?

Sie schwankt ziemlich stark zwischen Sorge und Euphorie.

Welches Buch lesen Sie gerade?

Primo Levi „Se questo è un uomo“ und „La tregua“

Was ist Ihre erste Erinnerung?

Viele Türen auf einem langen Gang in Mailand.

Was wollten Sie als Kind werden?

Maler.

Warum sind Sie Künstler geworden?

Weil ich mir das als Kind gewünscht habe.

Bereuen Sie diese Entscheidung manchmal?

Eigentlich nie.

Wenn Sie nicht Künstler wären, wer oder was möchten Sie sein?

Primaten-Verhaltensforscher.

Welche/r Künstler/in hat Sie am stärksten beeinflusst?

Interview mit Robert Bosisio

Giorgio Morandi und Mark Rothko.

Welches künstlerische Werk hätten Sie gern selbst gemacht?

Die Verkündigung von Leonardo da Vinci in den Uffizien, Florenz.

Welchem/r Künstler/in möchten Sie gerne begegnen? 

Piero della Francesca.

Was würden Sie ihn/sie fragen?

Alles über Malerei.

Zweifeln Sie manchmal an der Kunst?

Manchmal zweifle ich an meiner Kunst aber nicht an der Kunst allgemein.

Was nervt Sie an der Kunstwelt?

Dass sie sehr oft zu elitär ist und sie es nicht schafft den Bogen hin zu den einfachen Menschen zu spannen.

Was vermissen Sie in der Quarantäne am meisten?

Berlin.

Verändert die Quarantäne Ihre Kunst oder machen Sie einfach weiter wie bisher?

Nur dadurch, dass ich mich ohne große Ablenkungen meiner Arbeit widmen kann.

Ist die Corona-Pandemie ein Thema Ihrer Kunst oder halten Sie sie davon frei? 

Wenn, dann unbewusst.

Wovor fürchten Sie sich? 

Mit dem Alter nicht mehr kreativ zu sein.

Was fehlt Ihnen zum Glück? 

Eine gewisse Gelassenheit.

Was ist für Sie das größte Unglück?

Nicht mehr das tun zu können, was ich am liebsten tue.

Möchten Sie gerne reich sein?

Ich fühle mich reich, ich darf das machen, wovon ich immer geträumt habe und kann gut davon leben.

Welche Hoffnung haben Sie schon aufgegeben?

Die ganze Welt zu bereisen.

Welches ist Ihr liebstes Vorurteil?

There is nothing like home.

Lieben Sie jemand?

Ja

Sind Sie sich selbst ein/e gute/r Freund/in?

Leider nicht oft.

Was würden Sie an Ihrem Äußeren am liebsten ändern?

Etwas, aber nicht vieles.

Was ist Ihr größter Fehler?

Ich kann schwer nein sagen.

Was verabscheuen Sie am meisten? 

Wenn jemand laut mit mir wird.

Wie alt möchten Sie werden? 

Mit der Voraussetzung nicht senil zu werden, sehr alt.

Wie möchten Sie sterben?

Einfach einschlafen und nicht mehr aufwachen.

Glauben Sie an die Wiedergeburt? 

Vielleicht.

Zur Person

Robert Bosisio, 1963 in Truden geboren, studierte an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien in der Meisterklasse für Malerei bei Prof. Unger und Prof. Froher. Nach mehreren Studienaufenthalten, unter anderem in Berlin, London, Cluj-Napoca und New York hat der Künstler sich mit Ateliers in Truden, Cluj-Napoca und Berlin niedergelassen. Er wurde unter anderem mit dem Anerkennungspreis „La Fence“, Venedig, dem Martin-Rainer-Förderugspreis der Johan-Wolfgang-von-Goethe-Stiftung, Basel und dem Förderpreis der Walter-von-der-Vogelweide-Stiftung, München, bedacht. Zahlreiche Ausstellung in Italien, Deutschland, Schweiz und Japan. 2011 nahm er an der  54. Biennale von Venezia, Pavillon Italia teil.  Im April dieses Jahres erreichte er das Finale des renommierten Portrait Award der National Gallery in London. Mit seiner Ästhetik der Unschärfe lässt er die Konturen seiner Sujets verschwimmen und verhüllt das Dargestellte mit einem zarten, nicht zu durchdringenden Schleier. Ein geheimnisvoller, schemenhafter Bezug zur Wirklichkeit jenseits des Bildraums bleibt bestehen. Diesen jedoch mit dem Blick deutlich zu erfassen erweist sich als unmöglich. Eine Annäherung an das Bild vergrößert die Distanz nur noch, indem sich dieses aus der Nähe in Farben und Flächen auflöst. Jedoch lenkt der partout nicht scharf zu stellende Blick den Fokus auf das, was sich darin entzieht und das Sehen selbst als sinnliches Erlebnis wird zum Thema der Bilder.